Datenaufbewahrung und Investitionssicherheit (war: [gnucash-de] Beerdigung des SKR3)

Christian Stimming stimming at tuhh.de
Mit Feb 2 05:23:35 EST 2005


Hi,

du sprichst ein schlagendes Argument *für* eine Open-Source-FiBu an, 
aber du unterliegst dem weitverbreiteten Irrtum über die Schlußfolgerung:

Andreas Schenk schrieb:
> Das Risiko der 10 Jahre: Bestimmte Daten müssen 10 Jahre aufbewahrt werden. 
> Bei einem Open-Source Projekt besteht aber immer die Gefahr, daß es nach ein 
> oder zwei Jahren stirbt oder bei der Weiterentwicklung die 
> Rückwärtskompatibilität aufgibt. 

Das hat überhaupt nichts mit Open-Source zu tun. Bei *jeder* Software 
und jedem Software-Unternehmen "besteht aber immer die Gefahr, daß es 
nach ein oder zwei Jahren stirbt [weil z.B. die dotcom-Blase platzt] 
oder bei der Weiterentwicklung die Rückwärtskompatibilität aufgibt."

Das Argument geht in Wirklichkeit genau andersrum: Bei einem 
Open-Source-Projekt bekommt jeder Anwender den source, so daß es dem 
Anwender auch nach beliebig langer Zeit möglich ist, eine beliebige 
frühere Software-Version doch noch mal wieder zu kompilieren (denn die 
benötigten Bibliotheken sind ja auch alle Open-Source), so daß frühere 
Versionen und deren Dateiformate grundsätzlich zugänglich bleiben. 
Darüber hinaus steht es einer anwendenden Firma bei einem eventuellen 
Projekt-Ende von GnuCash jederzeit offen, den Sourcecode intern doch 
noch weiterentwickeln zu lassen, um die Software auch über die 
Lebensdauer des Projektes hinaus noch nutzen zu können (und zwar mit 
endlichem und begrenztem Aufwand, z.B. 1 Programmier-Monat pro Jahr). 
Demgegenüber kann ein Käufer einer kommerziellen FiBu bei einem 
(bedauernswerten) potentiellen Konkurs des Software-Herstellers *leider 
leider* nur in die Röhre gucken und nix war's mit den 10 Jahren.

So herum wird ein Schuh draus, und so herum hat man eine harte 
Investitionssicherheit statt nur ein vages Vertrauen auf die Lebensdauer 
und Produktpolitik einer Software-Firma. Denn was anderes hat man bei 
einem kommerziellen Produkt ja nicht in der Hand.

Da gibt es von Linas Vepstas eine lesenswerte Story dazu, siehe 
http://www.linas.org/theory/freetrade.html und zwar vor allem der 
Abschnitt "A Case Study" in der Mitte des Dokuments.

> Dadurch könnte es zwangsweise zu einem 
> Datenverlust und / oder zu der einen oder anderen Verletzung gesetzlicher 
> Vorschriften kommen. Man muß sich also wahrscheinlich mit einem Hybridmodell 
> begnügen: man verwendet eine Open-Source Anwendung für die Buchführung, 
> exportiert die Daten aber regelmäßig an einen Profi, z.B. DATEV (wenn die so 
> etwas anbieten), zur Sicherung. Da dadurch ein standardisiertes 
> Austauschformat unterstützt wird (werden muß), könnte man mit möglicherweise 
> geringem Aufwand jeder Zeit auf eine andere Anwendung wechseln, und die Daten 
> vom Profi zurück in die neue Anwendung importieren. 

Wie gesagt, das hat überhaupt nichts mit Open-Source zu tun. Das sollte 
man lieber generell mit einer FiBu machen, und bei einem 
closed-Source-Produkt, dessen Dateiformat man nicht kennt, ganz 
besonders erst recht.

Gruß

Christian