[gnucash-de] Gnucash als Vereinsbuchhaltung

Christoph Franzen christoph at alte-pflasterei.de
Do Okt 27 14:22:00 EDT 2022


Am Wed, 26 Oct 2022 21:36:38 +0200 schrieb maszy <maszy at freenet.de>:
> Guten Abend Christoph,
> 
> (mit Anrede ist es doch gleich viel netter 😉)

Hallo Albrecht,

Du wirst überlesen haben, daß ich durchaus – vergeblich – versucht
habe, Dich mit Namen anzusprechen, es war halt nur der falsche, der
Deines Vorgängers:

> Am 26.10.2022 um 17:00 schrieb Christoph Franzen:
> > Am Wed, 26 Oct 2022 09:28:07 GMT schriebmaszy at freenet.de:
> > Hallo Martin,

Tut, mir leid, war keine Absicht.

> Vielen Dank für den Hinweise zum Mail-Format - so oft habe ich mich
> hier im Verteiler noch nicht zu Wort gemeldet, so dass mir die
> Problemstellung mit den Zitaten nicht bekannt war. Ich halte mich
> aber für lernfähig ...

Das hat weniger direkt mit den Zitaten zu tun, als daß E-Mail
ursprünglich ein reines Textformat ist; mit MIME hat man dann alles
mögliche „drangeflanscht“, um beliebige Dateien als Anhänge versenden
zu können.

Es gibt zahlreiche Programme, die aus dem HTML-Teil nicht zitieren
können, weil HTML nur als Alternativ-Text gedacht war, in solchen Mails
steht der Text de facto doppelt, einmal als schnörkelloser Text und
zusätzlich dann in HTML (wo man eben auch fett gedruckt und bunt und
dergleichen mehr schreiben kann).

Meines Erachtens hat es mehr Vor- als Nachteile, auf HTML zu
verzichten; denn HERVORHEBEN *kann* _man_ /auch/ anders – hat man
früher auch nur so gemacht.

In meinem Postfach auf der Festplatte kann ich beispielsweise unter
zehntausenden Nachrichten nach allen suchen, die ein Wort enthalten –
mit „grep“ – dumm nur, wenn dann da statt „Ö“ „Ö“ steht…

Was den Rest meiner Nachricht angeht, so klingt die vielleicht auch
ungewollt schroff Dir gegenüber, meine Intention war hier, zu
verhindern, daß Anfängern hier unnötig Angst gemacht wird, auf Freie
Software zu setzen; wie ich das meine, führe ich noch aus.

> In meiner Antwort auf Martins Frage kann ich auch nach nochmaligem
> Lesen keinen sachlichen Fehler erkennen.

Die meines Erachtens problematischen Aussagen sind diese:

>> Das Programm erfüllt aber nach meinem Kenntnisstand nicht die
>> Standards der GoBD -  Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und
>> Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in
>> elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) . Das kann (muss
>> aber nicht!) im Falle einer Prüfung durch die Finanzverwaltung zu
>> Problemen führen.

Die Relativierung bezüglich Kenntnisstand macht die Aussage formal
richtig, aber trotzdem Angst.

>> Insofern würde ich dem Verein empfehlen, auf eine
>> für die Vereinsgröße angemessene anerkannte Lösung zu setzen.

Das indes halte ich für objektiv falsch: so etwas wie eine „anerkannte
Lösung“ gibt es nicht; es gibt lediglich Programme, welche in der
Praxis vielfach im Einsatz sind und von denen nicht bekanntgeworden
ist, daß sie von irgendeinem Finanzamt beanstandet worden wären.

Zu denen gehört aber auch Gnucash. Hier in der Liste haben schon einige
Leute geschrieben, daß sie es für kleine Unternehmen und Vereine
einsetzen, mir ist jedoch nie zu Ohren gekommen, daß jemand deswegen
Probleme mit dem Finanzamt bekommen hätte. Kann natürlich sein, daß es
wem passiert ist, der diese Liste nicht kennt oder das nicht hier
berichtet, das Programm deswegen abgeschafft und sich hier abgemeldet
hat und daher beim Aufkommen einer solchen Frage hier dazu nichts
schreibt.

> Ich habe nirgends behauptet, dass andere Buchhaltungssysteme nicht
> manipulierbar seien.

Das wollte ich auch nicht unterstellen, sondern lediglich gleich eine
Argumentation mitliefern, sollte ein Finanzamt sich darein versteigen,
Gnucash ablehnen zu wollen. Siehe weiter unten, warum ich das für
sinnvoll gehalten habe.

> Der Aufwand für solche Eingriffe ist - auch wenn ich deine
> Schilderungen richtig verstehe - unterschiedlich hoch und bei GnuCash
> eben geringer als bei anderen Programmen.

Als Laie kann man, wenn man die Einstellung findet, die Sperrfunktion
ausschalten, dies scheint aber auch bei manch anderem Programm
irgendwie zu gehen, habe ich gehört, Einzelheiten weiß ich nicht
mehr dazu.

Als Administrator kann man's womöglich auch bei Gnucash den
Laien vermiesen: Konfigurationsdatei „immutable“ machen.

> Nach meinen Erfahrungen wird die Finanzverwaltung eher nicht
> praktisch prüfen, ob Buchungen veränderbar sind oder nicht (also ob
> die Überschreibschutz-Funktion aktiviert ist oder nicht). Viel
> wahrscheinlicher dürfte doch sein, dass lediglich nach dem
> entsprechenden Zertifikat gefragt

Solche Zertifikate gibt es eben nicht.

> oder in Listen nachgeschlagen wird, ob die jeweilige
> Buchhaltungssoftware in der vorliegenden Version entsprechend
> zertifiziert worden ist oder nicht.

Worin die Finanzämter neben der Abgabenordnung selbst nachschlagen,
ist der Ausführungserlaß („AEAO“) dazu und in dem in der Fassung
von 2014, den ich zufällig rumliegen habe (255 Seiten
Verwaltungsgeschwurbel), wird zu dem Thema auf ein BMF-Schreiben („nur“
17 Seiten lang) verwiesen, dort wird unten im letzten Kapitel
ausdrücklich erwähnt:

„Die Verantwortlichkeit erstreckt sich dabei auf den Einsatz sowohl von
selbst- als auch fremderstellter DV-Buchführungssysteme.“

Das bedeutet im Umkehrschluß, man darf sich durchaus auch selber was
programmieren.

Die Finanzverwaltung ist nicht befugt, Listen „bekannter Programme“ zu
erstellen und buchführungspflichtige Organisationen zu verpflichten,
davon eines einzusetzen.

> Mit meiner Mail wollte. ich Martin als angehenden Kassenwart seines
> Vereins lediglich auf diese Problematik aufmerksam machen.

Es ist aus meiner Sicht aus genau dem Grund, daß in den Finanzämtern
kaum „Beurteilungskompetenz“ zu finden ist und die eine Ablehnung
ersteinmal begründen müßten, keine praxisrelevante „Problematik“,
erscheint aber hier als solche.

Die „Begründung“ würde dann wohl schlicht lauten: „entspricht nicht
GoBD“.

Meine erste Antwort wäre dann: „Tut es DOCH, wenn Sie anderer Meinung
sind, INWIEFERN nicht?“

Wie man dann sinngemäß weiterargumentieren könnte, habe ich am Beispiel
gezeigt.

> Wenn Du dem für dich zuständigen Finanzamt klar machen kannst, dass
> GnuCash den - (von mir aus) grauer Theorie entspringenden -
> Ansprüchen der GoBD gerecht wird, ist das schön und gut. Ob das aber
> auf jedes Finanzamt übertragbar ist, kann bezweifelt werden.

Ich traue mir zu, das jedem Finanzamt „beizubiegen“.

> Man ist da doch sehr auf den guten Willen der jeweils zuständigen
> Person(en) angewiesen.

Man kann durchaus dagegenargumentieren und braucht nicht alles zu
„schlucken“, die haben da auch Vorgesetzte.

> Letztlich muss Martin oder der Vereinsvorstand selbst
> entscheiden, ob er bzw. der Verein sich für GnuCash oder ein anderes
> Buchhaltungsprogramm entscheidet.

Richtig, dann aber nicht auf einer Entscheidungsgrundlage, die einen
potentiellen Nachteil von Gnucash erwähnt, welcher womöglich nie
real wird, meines Erachtens viel größere typische Nachteile von
Kommerzsoftware hingegen ausblendet – die in unserem Verein real
geworden sind.

Wir haben ein Haus gebaut, ab dann wurde „richtige“ Buchführung
notwendig (nicht de jure, aber de facto), das erste Programm hat ein
damaliges Mitglied selbst „gestrickt“. Der Mensch ging im Streit und
hat uns keine Daten, sondern nur die Ausdrucke gegeben.

Dann hat unser damaliger Vorsitzender Quickbooks beschafft. Das wurde –
mangels Online-Banking waren Dauer-Updates nicht notwendig – bis zur
Euro-Einführung benutzt. Auf die eurofähige Version ließ es sich
entgegen den Werbeversprechen nicht mehr aktualisieren, also wurde ein
Schnitt gemacht mit Buchabschluß und neuen Eröffnungsbuchungen in einer
„frischen“ Datei.

Danach ging es weiter wie zuvor, keine Updates, alles lief wie eh und
je, aber nur bis Windows 2000. Auf neueren Versionen ging es nicht.

Der Hersteller Intuit bietet natürlich kein Update von Uralt-Versionen
an und versucht heutzutage, einen in die „Cloud“ zu zwingen und so die
Abhängigkeit noch zu verstärken.

Daten-Export: Fehlanzeige, NUR Excel. Wie das gemacht wird? Aus dem
Programm heraus wird ein Excel, das installiert sein muß (natürlich
eine von diesen antiken Versionen) als OLE/COM-Objekt gestartet,
bekommt die Daten übergeben und speichert sie in eine Datei. Die ist
zum Ausdrucken mit kunstvoll angeordneten Leerzellen formatiert.

So gut wie jeder Kommerz-Hersteller versucht, die Kundschaft dauerhaft
an sich zu binden und macht den Export der Daten zur Nutzung anderswo
mit Absicht nicht besonders leicht.

Solche Probleme sind nach meiner Erfahrung um einige Größenordnungen
wahrscheinlicher, als daß ein Finanzamt was gegen Gnucash hat.

Was sonst noch passieren kann?

Der Hersteller stellt das Programm ein,
geht pleite oder wird aufgekauft.

Bei freien Programmen: Projekt „schläft ein“; zerstreitet sich, dann
werden aber meistens 2 draus, die in verschiedene Richtungen gehen und
man hat die Wahl – und selbst dann werden die Datenformate nicht ohne
Not inkompatibel gemacht.

Viele Grüße, Christoph
-------------- nächster Teil --------------
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