[gnucash-de] Re: Kontenplaene, zum zweiten
Andreas Schenk
dr.andreas.schenk at gmx.net
Die Jan 25 18:48:10 EST 2005
Hallo Christian,
vielen Dank fuer Deine Antworten auf meine Fragen -- und fuer Deine Einladung,
mich fuer GnuCash zu engagieren. Ich denke aber nicht, dass ich Deine
Erwartungen erfuellen kann. Ich sage das lieber gleich, damit es nicht
spaeter zu Enttaeuschungen kommt. (Ich habe zudem auch das Problem, dass ich
meine Zeit im Wesentlichen mit dem Verdienen meiner Broetchen verbringen
muss....) Und um Dich noch mehr zu enttaeuschen: ich kann auch
Programmieren ;-)
Gerne bin ich bereit, mein Wissen zur Verfuegung zu stellen. Die Frage ist
nur, welches Wissen -- und wie? Sicherlich kann man GnuCash weiterentwickeln,
in Bezug auf die Abbildung fachlicher Anforderungen und in Bezug auf das
Anwendungsdesign. Was aber sind die Rahmenbedingungen, d.h. die Ziele und
Visionen?
Die Frage zu den Kontenplaenen ist nur ein Punkt. Das "Alles in einen Topf --
eine Datenstruktur -- werfen" schraenkt auch an anderen Stellen sowohl
funktional als auch in Bezug auf die Weiterentwicklung sehr ein. Ein zweites
Beispiel ist die Wertpapierverwaltung. Sie ist in GnuCash so abgebildet, dass
man zu jeder WKN ein Unterkonto anlegt, um den Bestand darauf zu verwalten.
Alles wird hier im "Kontenplan" (oder genauer Hauptbuch) verwaltet.
Normalerweise lagert man so etwas in ein eigenes Nebenbuch aus. D.h. man hat
eigene Datenstrukturen und -bestaende, eigene Bearbeitungsmasken etc. nur zur
Verwaltung des Bestandes an Wertpapieren -- voellig unabhaengig vom
Hauptbuch. GnuCash stellt so etwas rudimentaer zur Verfuegung, durch Sichten
auf Konten, die vom Kontentyp abhaengen. Weitere Nebenbuecher kann es geben
fuer z.B. Debitoren, Kreditoren, die Anlagenverwaltung, die
Materialverwaltung, die Immobilienverwaltung (Hallo Betina, wo in GnuCash
wuerdest Du z.B. die Mietvertraege Deiner 27 Einheiten verwalten? Wo die
Nebenkostenabrechnungen?) .......
Im Nebenbuch fuer die Wertpapierverwaltung werden z.B. die Stammdaten fuer
Wertpapiere, Depots, ... angelegt. (Schliesslich werden Wertpapiere in Depots
verwaltet, nicht auf Konten. Also sollte man auch Depots als eigenstaendige
Objekte in der Anwendung abbilden koennen.) Auch die Geschaeftsvorfaelle, wie
z.B. ein Kauf, werden im Nebenbuch (als Bewegungen) erfasst. Auswertungen zum
Wertpapierbestand stuetzen sich dann auf das Nebenbuch.
Daneben gibt es ein Hauptbuch. Bewegungen in den Nebenbuechern, fuehren i.d.R.
zu Buchungen im Hauptbuch. Das Hauptbuch ist dann z.B. die Basis fuer die
Erstellung von Bilanz und GuV. Je mehr Nebenbuecher man einfuehrt, um so
weniger bucht man direkt im Hauptbuch. Und umso mehr buchungsunabhaengige
Daten kann man verwalten (z.B. Mietvertraege oder Nebenkostenabrechnungen)
Ich moechte das Visionen "spinnen" hier beenden. Ich wollte damit lediglich
andeuten, dass man den Horizont beliebig weit stecken kann -- bis hin zu
einem GnuERP System. Worauf ich hinaus will ist folgendes: Was ist die
Planung fuer GnuCash? Wo soll sich die Anwendung hinentwickeln? Sind die
Ziele formuliert und abgestimmt (mit wem?). Passen die Ziele zur aktuellen
(oder einer anderen) Anwendergemeinde?
Falls die Vision hinreichend gross ist, muss man ein entsprechend modulares
Design zugrunde legen. Wahrscheinlich muss man GnuCash (proper) dann auf ein
reines Hauptbuch reduzieren, mit Schnittstellen, die es erlauben, fuer jedes
gewuenschte Nebenbuch ein eigenes Projekt zu schaffen, dass dieses mehr oder
weniger unabhaengig davon entwickeln kann. Lediglich die Fortschreibung ins
Hauptbuch
wuerde dann ueber die wohldefinierte Schnittstelle erfolgen. Je nach
geplantem Umfang muss man auch die laenderspezifischen Anforderungen
herausdividieren. Das waere sicherlich eine grosse aber auch spannende
Aufgabe. Und eine sehr schwere: denn der Uebergang zu einer derart
modularisierten Anwendung sollte nach Moeglichkeit ohne grosse Stoerung der
bestehenden Funktionalitaet und damit der Anwendergemeinde vollzogen werden.
Er wuerde zudem die Weiterentwicklung der Funktionalitaet fuer ein ganzes
Weilchen bremsen. Trotzdem dies eine Herkulesaufgabe ist: Ich kenne keine
Open-Source-Anwendung mit einem solchen (dann moeglichen) Funktionsumfang.
Soll der Funktionsumfang von GnuCash signifikant weiterentwickelt werden, wird
man um eine Modularisierung der beschriebenen Art sicher nicht umhinkommen.
Diese Modularisierung wird aber zwangsweise auch Auswirkungen auf die
Benutzerschnittstelle haben und mehr von dem Anwender verlangen. Wieviel auch
immer.
Erst wenn die Ziele (und Visionen) formuliert und aufgeschrieben sind, und
wenn sie von einer hinreichenden Menge von engagierten Entwicklern und
Anwendern getragen werden, kann man eine Weiterentwicklung oder ein
(Re)design von GnuCash diskutieren, dass mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit nicht im Papierkorb (oder /dev/null) landen und die
Beteiligten frustrieren wird.
Falls es hierzu etwas gibt, wuerde ich es gerne lesen (egal ob deutsch oder
englisch).
Mit freundlichen Gruessen
Andreas Schenk